Deutschlands Politiker stehen vor einer Wahl.
Der des Bundespräsidenten.
Joachim Gauck. Oder Christian Wulff?
Der von der Opposition (SPD und Grüne) oder der Regierung (CDU und FDP) vorgestellte Bundespräsidenten-Kandidat?
Derzeit will man Gauck – “man”: Presse (Welt, Stern, Handelsblatt, Spiegel, … sprechen sich für Gauck aus) und Netzvolk (abgelesen an bspw. der Anzahl & Fans in “Pro-Gauck” Gruppen auf Facebook und in Blogs). Und wenn selbst aus CDU- und FDP-Kreisen Anerkennung für die Nominierung Gaucks kommt, und Die Linke den ehemaligen Stasi-Aufklärer nur aus persönlichen Motiven heraus schlecht findet, dann stelle ich mir in den letzten Tagen eine Frage: Wenn ein Präsidentschaftskandidat von Politik, Presse und Volk für die bessere Wahl gehalten wird, der andere aber aus parteipolitischen Gründen mehr Stimmen erhalten dürfte – welche moralische Verpflichtung besteht dann zur Wahl des vermeidlich richtigen Kandidaten?
Und welche Konsequenzen ergäben sich aus der Wahl Wulffs?
Oder eben Gaucks?
Ist die auf den ersten Blick bessere Wahl – eben Gauck – auch die, mit der eine Regierung in der Lage ist politisch und inhaltlich zusammen zu arbeiten?
Ein Präsident muss überparteilich arbeiten – aus diesem Grund wäre Gauck sicherlich die bessere Wahl. Die Frage ist, ob Wulff für den politischen Alltag nicht die bessere Wahl wäre?
Das Volk in Deutschland darf seinen Präsidenten nicht direkt wählen. Dieses aus der politischen Vergangenheit heraus geborene Vorschrift halte ich für eine sehr gute Regelung – solange das Volk den Eindruck gewinnt, die Auswahl seines Staatsoberhaupts tragen zu können. Bei Christian Wulff habe ich diesen Eindruck nicht. Den hatte ich allerdings auch bei Horst Köhler nicht, und die letzten Jahren haben bis auf wenige Entscheidungen des Bundespräsidenten diesen Eindruck auch gestärkt. Die Regierung steht unter Druck – Wirtschaftskrise, politische Entscheidungen, Unbeliebtheiten auf persönlicher Ebene zwischen Bundeskanzlerin und Wählern, .. Der Rücktritt Horst Köhlers und die bevorstehende Wahl des neuen Bundespräsidenten stellen die Regierung vor eine Zerreißprobe. Theoretisch hätte Wulff mehr Stimmen. Doch die Wahl ist geheim, frei vom in Deutschland so blödsinnig oft angewendeten Fraktionszwang. Das bedeutet Gauck könnte auch aus dem Lager von CDU und FDP Stimmen erhalten, und er wird es wohl auch. Nur: Wird das reichen? Und wie vermittelt man letztlich, wenn der in den Augen von Presse und Öffentlichkeit schlechtere Kandidat Wulff wirklich gewinnen sollte?
Gauck wäre mein Präsident. Weil er überparteilich ist. Und genau das sollte ein Präsident sein, auch wenn dies bedeutet für die Regierung unbequem zu sein.
Und unbequem ist eben genau das Stichwort, denn kann sich aus parteipolitischen Gründen eine in der Krise steckende Regierung einen unbequemen Kandidaten leisten? Folgt man der öffentlichen Stimmung sollte sie es dringend. Aber in Berlin wird Politik nicht immer der Stimme des Volkes folgend gemacht …
Thomas Gigold hat zur letzten Bundestagswahl SPD gewählt, und wird es trotz diverser Differenzen mit “seiner” Partei wieder tun. Für ihn wäre Gauck der Präsident seiner Wahl.