Eroberungen

oder: Meine Liebe zum Matchbox.

Mein Gehirn funktioniert nicht ganz perfekt, wenn es um Erinnerungen geht. Ich merke mir Vieles – Gerüche, Fakten und jede Menge Dinge, die man locker als Unnützes Wissen einstufen kann. Geht es jedoch um Namen, Gesichter oder Begebenheiten setzt mein Gehirn gern einmal aus und löscht Erinnerungen daran.  Ganz extrem merke ich dies bei “frühkindlichen” Erinnerungen. Während meine Frau noch alle Namen ihrer Kindergarten-Kameraden aufzählen kann, gelingt mir dies nich einmal mehr mit allen Kameraden meiner Abschlussklasse.

Neulich waren wir in einer Ausstellung zum DDR-Alltag. Und trotz so mancher Gegenstände an die ich mich erinnern konnte – zum Beispiel die alten Schultische – kann ich mich an Dinge wie den Mittagsschlaf in der ersten Klasse, unsere erste Klassenfahrt und den Nachnamen meiner ersten richtigen Freundin nicht mehr erinnern (Geschweige den an den Vornamen meiner ersten Schulfreundin in der zweiten Klasse …)
Manche Erinnerungen allerdings bleiben.

Zum Beispiel die an einen Teddy, den ich einmal vorfand, als ich mit meiner Mutter nach Hause kam. Meine Mutter und mein Vater lebten in den ersten Jahren noch in getrennten Wohnungen, und mein Vater war viel unterwegs. Eines Tages jedoch kamen wir nach Hause, und in meinem Bett lag ein Plüschhund und ein Teddybär. Ich habe kein einfaches Verhältnis mit meinem Vater, aber diese Geste blieb mir im Kopf – und der Teddy hat heute noch seinen Platz in unserer Wohnung.
Eine andere Erinnerung ist weniger spezifisch, sondern eher etwas, das ich jahrelang getan habe. In unserem Wohnzimmer (nach dem Zusammenzug, da muss ich … fünf, sechs Jahre alt gewesen sein) gab es einen Teppich mit wunderbarem Web-Muster, welches ich immer ausgiebig als Stadtplan nutze. Zur Verzweiflung meiner Eltern spielten sich darauf nicht nur wilde Verfolgungsfahrten von Matchbox-Autos ab, sondern auch so mancherStau über den die beiden stolperten.

Matchbox waren für mich damals überhaupt das Spielzeug Nummer Eins. Ich nutzte das rund 30 Quadratmeter grosse Wohnzimmer um “Auf Achse” nachzuspielen – eine Serie, zu der ich aufgrund der Tatsache, dass mein Vater selbständiger Fuhrunternehmer war, eine hohe Verbundenheit aufbaute. Aber auch actionreiche Verfolgungsjagden, illegale Strassenrennen und umfangreiche Bauarbeiten fanden im Maßstab 1:80 statt. Meine Matchbox-Sammlung bekam stetig Zuwachs – durch Grosseltern und Westbesuch. In meinem Fuhrpark versammelten sich Feuerwehren, Abschlepper, Transporter, Rennwagen, …

Von meinen Matchbox sind heute noch zwei Stück übrig, die ich an meinen Bruder vererbte und die dieser meinen Söhnen übergab. Ganz so beliebt wie bei mir sind die maßstabsgetreuen Mini-Autos bei meinen Kindern nicht, sie bevorzugen heute LEGO. Trotzdem sind sie irgendwie nicht wegzudenken aus dem Jungs-Leben. Und wenn ich die Kiste mit Matchbox, HotWheels und Siku-Autos heute betrachte, dann erinnere ich mich gern an die Abenteuer, die ich damals mit ihnen erlebt habe. Manchmal, wenn ich mit dem Kleinsten spiele, nehme ich eines der Autos, fahre mit ihnen über den Fussboden und mache innerlich ganz leise “Bruuuuuumm! Whrooooom! Neeeong.”
Männer werden halt doch nie so richtig erwachsen …

Übrigens: Die Liebe zu vierrädrigen Fortbewegungsmitteln hat sich bis heute erhalten. Auch wenn ich heute funktionierende Exemplare im Maßstab 1:1 bevorzuge 😉

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