Der Mutterkult in Deutschland schadet den Familien. Diese These zumindest vertritt Annika Joeres. Die Wahl-Französin hat mit „Vive la famille“ ein Buch über die Erziehungs- und Familienunterschiede zwischen Deutschen und Franzosen geschrieben.
Insgesamt, so Joeres im Interview mit der Frankfurter Rundschau kann man die Unterschiede auf ein französisches Mantra runterbrechen: Glückliche Eltern haben glückliche Kinder.
Ich glaube, da liegt viel Wahres drin.
Ich lese unheimlich oft von Müttern, die sich hierzulande aufopfern, die alles für ihre Kinder tun und an der harten, streßigen Realität scheitern. Nicht zuletzt, weil sie sich an den Erwartungen der Gesellschaft orientieren.
In Deutschland wird man als Mutter noch immer dumm angeschaut, wenn man offen zugibt, dass sich das Leben nicht allein um die eigenen Kinder dreht. Und als Vater wird man für genau aufgrund der anderen Aussage entgeistert angeschaut. Wenn man nämlich offen sagt: „Doch, ich komme auch ganz allein mit den Kindern zurecht“. Der von den Nationalsozialisten ins gesellschaftliche Gehirn gemeisselte Mutter-Kult lebt. (Godwin’s Law)
Liebe Eltern, macht euch mal locker!
Ich gebe meinen Kindern alle erdenkliche Liebe, aber meine Welt dreht sich nicht um sie. Meine Kinder sind ein Teil dieser Welt, aber nicht deren Sonne. Sofern ein Mensch überhaupt diese Sonne für mich ist, dann meine Frau.
Geht es meinen Kindern dadurch schlechter?
Geht es mir schlechter, weil ich den Konventionen oder Erwartungen der Gesellschaft nicht gehorchen mag? Geht es meinen Kindern schlechter, weil ich eine gewisse Eigenständigkeit von ihnen erwarte und ihnen nicht alles opfere?
Das Erziehungsprinzip der DDR war dem in Frankreich nicht unähnlich. Kinder wurden mit wenigen Wochen in staatliche Fürsorge gegeben. Knackpunkt dabei war aber natürlich auch, dass diese Fürsorge überall gleich war. Die chronische Unterversorgung von Kitas gemeinsam mit dem föderalen Bildungssystem mindern in Deutschland unser elterliches Vertrauen in eben dieses System. Genau hier muss die Regierung endlich ansetzen – eine einheitliche Qualität der Kinderfürsorge und Bildung muss endlich gewährleistet sein.
Daneben aber sollten wir Eltern auch mal durchatmen.
„… viel Stress entsteht auch durch das schlechte Gewissen„, sagt Annika Joeres und trifft damit wahrscheinlich einfach genau den Punkt.
Wir machen uns Stress, dass es den Kindern gut geht. Dabei sollten wir unsere Kinder viel öfter mal selbst fragen, was „gut gehen“ für sie selbst bedeutet. Und nicht zuletzt sollten wir die Aussagen von Kindern durchaus auch kritisch prüfen, statt als Gottes Wort zu interpretieren …
Unseren Kindern ist vieles ziemlich egal, solange sie eines von uns bekommen: Liebe. Und die geben wir ihnen nicht durch den aufwändig verzierten Kuchen für den Kindergeburtstag in der Kita oder den mit Blut und Schweiss selbstgebastelten Drachen. Die geben wir ihnen, indem wir Zeit mit ihnen verbringen. Geben wir, indem wir den Kuchen gemeinsam backen oder den gekauften Drachen gemeinsam steigen lassen. An die eine Stunde Drachensteigen werden sie sich eher erinnern als an die drei Stunden, die ich damit zugebracht habe, den Drachen zu basteln.
Brecht einfach aus.
Nicht die Gesellschaft zählt, sondern ihr und eure Kinder.
Glückliche Eltern haben glückliche Kinder, und vor allem nicht zuletzt entspannte und geliebte.
Weshalb wir das ganz ohne schlechtes Gewissen sagen und auch mal egoistisch sein können? Weil ich mit meinem Ehepartner den Rest meines Lebens verbringen werde – die Kinder sind nur für 18 Jahre Bestandteil davon – Teilzeit-Partner sozusagen, da tut ihnen auch die Stunde mehr Kita nicht weh …
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